Ethik in der Naturfotografie


Ergebnisse einer Expertentagung des Bundesamtes für Naturschutz

von: Hans-Peter Schaub und andere
„Ethik in der Naturfotografie“ lautete das Thema einer Tagung, zu der das Bundesamt für Naturschutz, unterstützt von der Gesellschaft Deutscher Tierfotografen (GDT), im September 2015 in die Naturschutzakademie auf der Insel Vilm ingeladen hat. Ziel sollte es sein, sich zunächst über bestehende rechtliche Bestimmungen und ethische Grundsätze in Bezug auf die Naturfotografie auszutauschen und dann Leitlinien für naturschutzgerechte Naturfotografie zu erarbeiten. Die Teilnehmer waren sowohl Naturfotografen, als auch im behördlichen Naturschutz tätige Personen.

Ethik ist ein Teilbereich der Philosophie, der sich mit den Voraussetzungen menschlichen Handelns und seiner Bewertung befasst – praktische Philosophie also. Ethische Überlegungen und Normen prägen (sollten sie zumindest) unseren Umgang miteinander, aber auch unseren Umgang mit der uns umgebenden Natur. Somit ist selbstverständlich auch die Naturfotografie kein „ethikfreier Raum“. Es ist daher auch für Naturfotografen durchaus sinnvoll, ihr Verhalten und ihren Umgang mit und in der Natur immer wieder kritisch zu hinterfragen. Zudem erscheint es nützlich, einige grundsätzliche und allgemeingültige Leitlinien zu formulieren, die einen rücksichtsvollen Umgang mit der Natur beschreiben.


Fast jeder ist Naturfotograf

Nahezu jeder Mensch, der sich heutzutage in der Natur aufhält, führt eine Kamera mit – und sei es nur das mit einer Kamera ausgestattete Telefon. Natur – Landschaften, Pflanzen, große und kleine Tiere – zählt in ihrer ganzen Vielfalt zu den beliebtesten Fotomotiven überhaupt. Nicht jeder, der Natur fotografiert, ist aber auch „Naturexperte“. Obwohl sich zunehmend mehr Menschen oft und gerne in der Natur aufhalten, ist das Wissen um natürliche Zusammenhänge oder die Kenntnis selbst häufiger Arten auf einem erschütternd niedrigen Niveau. So mag auch manch „frevelhaftes“ Verhalten weniger böser Absicht als Unwissenheit geschuldet sein. Gerade auch vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll und wichtig, möglichst vielen Menschen Grundsätze verantwortungsvoller Naturfotografie nahezubringen. Umso mehr, als Naturfotografie in einer von visuellen Medien geprägten Welt eine bedeutende Rolle spielen kann, wenn es darum geht, Wissen über natürliche Zusammenhänge zu vermitteln und für den Schutz der natürlichen Umwelt zu werben. Naturfotografie ist daher zumindest potenziell ein idealer Partner des Naturschutzes.

Eine Diskussionsgrundlage

Die Ergebnisse der intensiven Diskussionen der Naturfotografen und (zeitgleich zumeist auch) aktiven Naturschützer werden im Folgenden dargestellt. Sie sollen keinesfalls als endgültige Postulate, sondern vielmehr als Grundlage einer hoffentlich breiten Diskussion zu diesem Thema betrachtet werden, die auch in NaturFoto stattfinden soll. Wir würden uns daher freuen, wenn Sie, liebe Leser, dazu Stellung beziehen, Anregungen und Meinungen mitteilen. Wir werden das Thema auch in der Zukunft immer wieder in den Fokus rücken.

Allgemeine Verhaltensregeln

Tiere, Pflanzen, Pilze und Landschaften sind Gegenstand der Naturfotografie. Unabhängig davon, welchem Aspekt der Natur sich die Fotografen widmen, sollte das Verhalten stets von Respekt gegenüber der Natur und Rücksichtnahme gegenüber den Mitmenschen geprägt sein. Erwähnt seien hier allgemeine Verhaltensweisen für die Erholung in der Natur, die bereits vor Jahren erarbeitet wurden, aber immer noch Geltung haben: „Zehn Grundregeln für den verantwortungsbewussten Naturfreund“ (Deutscher Bund für Vogelschutz, heute NABU) Verhaltensregeln und Hinweise der BfN-Website zum Thema Erholung in der Natur.

Wissen als Basis für Erfolg | Darüber hinaus sind umfassende und in vielen Fällen durchaus spezielle Naturkenntnisse die Basis für erfolgreiche Naturfotografie. Auch die Dokumentation negativer Veränderungen im Sinne kritischer Reportagefotografie (oder auch zur Beweissicherung bei Gesetzesverstößen) sollte ein wichtiges Thema der Naturfotografie sein.

Grenzen und Möglichkeiten der Ausrüstung kennen |
Zur Naturfotografie ist heutzutage keine teure Technik notwendig: Viele Aufnahmen gelingen mit dem Mobiltelefon oder Kompaktkameras, die zudem immer dabei sein können. Andererseits wird man mit solchen Kameras keine Aufnahmen scheuer Tieren machen können und sollte dieses auch nicht versuchen. Es gilt, die technischen Grenzen seiner Ausrüstung zu kennen und zu akzeptieren.

Rechtliche Grundlagen | Gleichermaßen gibt es durch Gesetze und Verordnungen Grenzen, also das für jedermann geltende rechtliche Regelwerk, das auch für Naturfotografen relevante Gesetze und Verordnungen enthält. Ohne im Näheren auf diese einzugehen, ist zumindest der „Allgemeine Artenschutz“ (§39 BNatSchG) zu nennen, der wie alle anderen Vorschriften für den Umgang mit der Natur uneingeschränkt auch für Naturfotografen gilt. Zu diesen zählt insbesondere auch die Einhaltung von Wegegeboten in Naturschutzgebieten – es gibt keine selbstverliehenen Sonderrechte nach dem Motto „Ich will doch was Gutes“. In begründeten Fällen besteht die Möglichkeit, Ausnahmegenehmigungen für ganz bestimmte Anliegen bei den zuständigen Behörden zu beantragen. Für Unterwasserfotografie gelten zudem spezielle Regelungen der internationalen Tauchsportverbände (keine Berührung von Korallen, kein Abstützen auf dem Grund, kein Anfüttern von Fischen, Schildkröten etc.). Grundsätzlich gilt: Naturfotografen haben nicht mehr, aber auch nicht weniger Rechte als Jedermann.

In der Natur zu Gast | Naturfotografen verstehen sich als Gast in der Natur – es sollten so wenige Spuren wie möglich hinterlassen werden.

Nachhaltigkeit | Naturfotografie muss nachhaltig sein. Das, was wir fotografieren, soll auch noch von unseren Kindern fotografiert werden können.

Öffentlichkeitsarbeit | Naturfotografen gehen mit Bildern in die Öffentlichkeit und werden so gegebenenfalls zu Ansprechpartnern und Multiplikatoren für die Belange der Natur. Daraus erwächst den Naturfotografen eine Vorbildfunktion.

Tierwohl geht vor | Abgesehen von gesetzlichen Bestimmungen gilt beim Fotografieren von Tieren: „Das Tier bestimmt, was geht.“ Die Interpretation des Verhaltens der fotografierten Tiere setzt fundierte Arten- und Verhaltenskenntnis voraus (z. B. Kenntnis von Übersprungverhalten, Stresserscheinungen, Fluchtdistanzen). Das gilt insbesondere für die Fotografie an Fortpflanzungs- und Ruhestätten wie beispielsweise in Fledermausquartieren. Entsprechende Störungsverbote für besonders sensible Arten sind zu befolgen. Ausnahmen können genehmigte Begleitungen wissenschaftlicher Arbeit darstellen – hierbei kann gleichzeitig viel von den Wissenschaftlern/-innen gelernt werden.

Spezielle Artenkenntnis | Allen Arten ist die gleiche Wertschätzung entgegenzubringen, gleichwohl kommt der genaueren Kenntnis besonders gefährdeter Arten und Lebensräume eine hohe Bedeutung zu: Naturschutz- oder auch Naturfotografenverbände, wie z. B. die Fachgruppen des NABU, des BUND oder die Regionalgruppen der GDT, bieten Naturfotografen unter anderem die Möglichkeit, an Exkursionen teilzunehmen und vom Wissen erfahrener Naturschützer und/oder Naturfotografen zu profitieren. Man muss sich beispielsweise bewusst darüber sein, dass jede Nestsuche von Beutegreifern/Nestplünderern beobachtet und ausgenutzt werden kann.

Neue Technik | Auch neue Techniken, wie der Einsatz von mit Kameras ausgestatteten Multikoptern, können extreme Störungen verursachen. Für diese gelten ebenfalls Restriktionen im Umfeld von Horsten, Vogelkolonien oder Rastansammlungen. Verbotszonen, wie sie grundsätzlich über Naturschutzgebieten und Nationalparks gelten, sind zu beachten!

Künstliches Licht | Der Einsatz von Leuchtmitteln ist in der Naturfotografie keinesfalls die Ausnahme: Unproblematisch ist deren Einsatz beispielsweise bei der Fotografie von Pilzen, Pflanzen und Makromotiven. Ferner können mithilfe von Lichtschranken und Bewegungssensoren in Verbindung mit  Blitz-Fotofallen schnelle Bewegungsabläufe dokumemtiert werden sowie die Wirksamkeit von Wildbrücken oder seltene Säugetiere wie Fischotter, Wildkatze oder Wolf nachgewiesen werden.
Beim Einsatz von Blitzgeräten gilt es vorab gründlich, gegebenenfalls über Rücksprache mit erfahrenen Naturschützern oder Biologen, zu prüfen, inwieweit dadurch massive Beeinträchtigungen der zu fotografierenden Arten zu befürchten sind (z.B. nachtaktive Wirbeltiere). Bestehen Zweifel, so ist vom Blitz-Einsatz abzusehen. Viele Amateure haben die Automatik des eingebauten Blitzes nicht abgeschaltet und er wird bei schlechten Lichtbedingungen automatisch ausgelöst – dieses sollte auf jeden Fall unterbleiben. Blitzverboten, wie sie beispielsweise in vielen öffentlichen Aquarien gelten, ist selbstverständlich Folge zu leisten.

Behutsamer Umgang mit Pflanzen | Beim Fotografieren von Pflanzen und Pilzen ist das Entfernen störender Vegetation so gering wie möglich zu halten. Der Charakter des Standortes darf nicht verändert werden. Im Idealfall beschränkt man sich auf das Entfernen toter Vegetation und biegt oder bindet lebende Pflanzen vorübergehend beiseite.

Zoo und Garten | Das Fotografieren in Parks, Botanischen Gärten, Zoos und Freigehegen bietet hervorragende Möglichkeiten für ausdrucksstarke Naturfotos – die Störungen sind dabei minimal.

Fotografie aus Tarnverstecken

Eine Methode der Tierfotografie ist die Benutzung von Fotoverstecken. Dort, wo es möglich ist, sollten die entsprechenden Angebote (gute Beispiele in Schleswig-Holstein) genutzt werden. Da das Angebot in Deutschland noch sehr überschaubar ist, ist eine Ausweitung des Angebotes öffentlich nutzbarer Fotoverstecke in Zusammenarbeit mit dem Naturschutz wünschenswert, da diese eine besonders effektive und schonende Möglichkeit zur Erlangung von Fotos freilebender Tiere darstellt. Die Tiere sind an die Verstecke, die über lange Zeiträume an geeigneten Orten stehen, gewöhnt, zeigen daher eine geringe Fluchtdistanz und natürliches Verhalten. Damit sind diese Orte außerordentlich wertvolle Stätten der Naturfotografie und -beobachtung, besonders für Kinder, behinderte und ältere Menschen. Da die Unterhaltung derartiger Verstecke sehr aufwendig sein kann, sind auch Gebühren zur Nutzung solcher Verstecke nachvollziehbar und sollten dann auch teilweise in den Naturschutz zurückfließen.

Auto als Tarnzelt | „Das Auto ist in vielen Situationen das beste Versteck“. Tiere sind an Autos gewöhnt und von normalen Straßen und zugelassenen Wegen aus lassen sich viele Tiere gut und im Vergleich zu den engen Tarnzelten zudem noch bequem fotografieren.

Nicht ohne Genehmigung | Bei der Errichtung von Fotoverstecken in Eigeninitiative oder bei mobilen Tarnzelten sind Genehmigungen bei Eigentümern sowie Nutzern (z.B. Jäger, Förster, Landwirt, Fischer) einzuholen. Eine Einbindung der zuständigen Behörden (zumeist Untere Naturschutzbehörde) ist ebenso wie eine Kontaktaufnahme mit örtlichen Naturschutzverbänden auf jeden Fall anzuraten.
Keine Beeinträchtigung der Tiere | Bei der Aufstellung von Verstecken sollten keine Beeinträchtigung von Tieren, Pflanzen oder Lebensräumen stattfinden oder andere Naturfreunde belästigt werden. Verstecke sollten so aufgestellt werden, dass sie nicht unnötigerweise unerwünschte Besucher anlocken. Eine Benutzung durch Dritte sollte verhindert werden und nach Abschluss des Projektes sind die Verstecke wieder restlos zu entfernen. Zum Anfüttern von Tieren dürfen nur Materialien verwendet werden, die keine Gefährdung verursachen und tierschutzrechtlich unbedenklich sind (Negativbeispiel: mit Bleimunition kontaminiertes Wild). Beim Einsatz von Verstecken an Fortpflanzungs- und Ruhestätten ist besondere Vorsicht geboten. Sie sollten nur durch Fotografen genutzt werden, die über spezielle Kenntnisse der betreffenden Art verfügen. Bei besonders gefährdeten oder empfindlichen Arten sollte sie gänzlich unterbleiben. Unerfahrenen Fotografen wird empfohlen sich Unterstützung durch professionelle/erfahrene Naturfotografen oder Versteckanbietern zu holen. Verantwortungsvolle Anbieter zeichnen sich durch natur- und tierschutzgerechtes Verhalten aus und arbeiten mit den zuständigen Behörden und regionalen Naturschutzorganisationen zusammen. Auch die aktive Mitarbeit in Naturschutzverbänden oder auch in den Regionalgruppen der GDT fördert das Wissen über die Natur und die Fototechnik und ist unbedingt zu empfehlen.

Im Ausland | Bei Fotoreisen ins Ausland sind die dort geltenden Gesetze und Regelungen sowie kulturelle und soziale Besonderheiten zu beachten. So kann allein das geäußerte Interesse des Fotografen an bestimmten Tieren zu Handlungen führen, die eine ernsthafte Bedrohung für regionale Vorkommen seltener Arten darstellen können.

Weiterführende Links 

Gesellschaft Deutscher Tierfotografen (GDT)
Bundesamt für Naturschutz
Verhaltensregeln und Hinweise der BfN-Website zum Thema
Erholung in der Natur

Verhaltensregeln für Naturfotografen: www.tierundnatur.de
Artenschutzregelungen: www.wisia.de
Faltblatt zur Unterwasserfotografie mit Verhaltenshinweisen:
Paragraf 39 des Bundesnaturschutzgesetzes

Grundsatzprogramm des Alpenvereins zum Naturschutz

Hans-Peter Schaub und andere