High-Five mit dem Wassergeist


Eine etwas andere Begegnung in Island

von: Florian Warnecke

Besucht man die wildromantische Vulkaninsel im Nordatlantik, kommt man nicht an Geschichten über Trolle, Elfen und Feen vorbei. In der isländischen Kultur sind diese Sagen sehr tief verwurzelt und werden heute noch von Generation zu Generation weitergegeben. Die bekannteste aller Geschichten rankt sich wohl um die Felsen von Vik. Ein Trollmann und eine Trollfrau versuchten ihr Schiff vor dem Morgengrauen an Land zu bringen. Als dies nicht gelang, sind sie vor Erreichen  des Strandes durch die Morgensonne versteinert worden. Mit  diesen Erzählungen im Hinterkopf, kommt es zuweilen vor, dass man sich in den ewigen Weiten der Lavafelder und Gletscher, in vermeintlicher Einsamkeit, beobachtet fühlt. Zumindest geht es mir immer so. Zu sehen bekommt die heimlichen Beobachter aber niemand.  Bei meinem Besuch im Januar 2016 sollte sich dies aber ändern. An meinem letzten Abend stand ich an der Küste der Reykjanes-Halbinsel und wartete auf den Sonnenuntergang. Dabei fielen mir die hohen Wellen auf, die immer wieder über die Klippen brachen. Um diese nicht zu verpassen, begann ich damit, die spektakulären Wellen mit einigen Sequenzen zu fotografieren. Nach getaner „Arbeit“ im Hotel angekommen, war business as usual angesagt, d.h. Bilder auf die Festplatte speichern und das Material sichten. Während ich über die Bilder der brechenden Wellen flog, stockte mir plötzlich der Atem. Ich traute meinen Augen kaum. Vor Ort mit bloßem Auge war es nicht zu erkennen, aber der Chip meiner Kamera hat ihn sichtbar gemacht. Mit „ihn“ meine ich diesen Wassergeist, der beschlossen hatte, sich mir zu offenbaren. Er hielt mir mit einem Lächeln im Gesicht seine Hand für ein High-Five entgegen. Island bietet so viele atemberaubende Fotomotive, aber dieses „Motiv“ hat sich mit Abstand am stärksten in meine Erinnerung gebrannt. In meiner Vorstellung grüßt er mich, um mir zu sagen: „Gute Reise mein Freund, wir sehen uns wieder.“

Florian Warnecke
… fotografiert seit ca. sieben Jahren und tritt damit in die Fußstapfen seines Urgroßvaters, der ihm vermutlich über die Generationen hinweg das richtige Rüstzeug gegeben hat. Seine Bilder erscheinen in Magazinen, zudem arbeitet er mit einem Bildverlag zusammen. Bei Workshops versucht er seine Begeis­terung für die Natur und die Fotografie weiterzu­geben. Neben Landschaften seiner Heimat rund um das Murnauer Moos gehört seine besondere Liebe den Tieren und Landschaften des Nordens, z.B. in Island, Norwegen oder auf den Shetlands.  www.part-of-nature.com