Puristischer Handschmeichler


Voigtländer Macro Apo-Lanthar 110 mm F2,5 

Kein Autofokus, kein integrierter Bildstabilisator – das rein mechanische Macro Apo-Lanthar besteht praktisch nur aus Glas und Metall. Äußerlich im Retrolook gehalten, verspricht das Telemakro aber hinsichtlich der Abbildungsleistung ganz auf der Höhe der Zeit zu sein. Hans-Peter Schaub hat’s ausprobiert.  

In der Hand

Auf den ersten Blick erscheint das Macro Apo-Lanthar 110 mm F2,8 auf positive Art aus der Zeit gefallen, erinnert an Objektive aus den 60er-Jahren. Ausschließlich aus Glas und Metall gefertigt, bringt es trotz einer Länge von lediglich rund 10 cm (in Unendlich-Einstellung) mit 770 Gramm auch ein stattliches Gewicht auf die Waage. Der markant geriffelte Einstellring läuft butterweich und mit genau dem richtigen Widerstand. Das gilt auch für den sanft in Drittelstufen einrastenden Blendenring. Die gesamte Konstruktion ist praktisch spielfrei und exzellent verarbeitet. Abdichtungen gegen Staub und Spritzwasser sind nicht vorhanden, aufgrund der – abgesehen von den Kontakten am Bajonett – rein mechanischen Bauweise ist das Objektiv allerdings auch wenig empfindlich gegenüber Feuchtigkeit und überstand während des Tests so manchen Regenschauer unbeschadet. 

Fokussierung

Nicht wenige Fotografen – mich eingeschlossen – verzichten bei Makroaufnahmen grundsätzlich auf den Autofokus und daher ist dessen Fehlen bei solch einem Objektiv für viele kein Manko. Ein enorm langer, nicht linearer Verstellweg von insgesamt rund 450 Grad erfordert zwar einiges an Handarbeit, wenn man von Unendlich bis zum maximalen Abbildungsmaßstab von 1:1 fokussiert, in der Praxis aber wird das nur selten nötig sein. Setzt man das Objektiv für größere Details oder Landschaften ein, erfasst man mit einer Drehung von etwa 90 Grad den Bereich zwischen 1:4 und Unendlich. Bei der Fokussierung in Abbildungsmaßstäben zwischen 1:4 und 1:1 hingegen ist hohe Präzision gefragt und da ist der dann sehr lange Verstellweg von 360 Grad durchaus willkommen. 

Das Macro Apo-Lanthar 110 mm wird beim Fokussieren in den Nahbereich um etwa 6,5 cm länger, ist also nicht – wie die meisten der aktuellen Makroobjektive – mit einer Innenfokussierung ausgestattet. Was als Nachteil erscheinen könnte, hat eigentlich überwiegend positive Auswirkungen. Bei Objektiven mit Innenfokussierung nimmt die Brennweite im Nahbereich beträchtlich ab. Von 100 mm bleiben dann beim Maßstab 1:1 effektiv oft nur 60 bis 70 mm übrig. Anders beim Apo-Lanthar, das selbst beim maximalen Abbildungsmaßstab noch rund 100 mm Brennweite bietet. Die eine Konsequenz besteht darin, dass der Arbeits-abstand mit knapp 19 cm (Motiv zu Frontlinse) beim Abbildungsmaßstab 1:1 recht groß ist, was insbesondere bei Aufnahmen kleiner Tiere wünschenswert ist. Die zweite Konsequenz ist der auch im Nahbereich enge Bildwinkel, der es in vielen Fällen einfacher macht, Motive aus einem unruhigen Umfeld herauszulösen.

Abbildungsleistung

Die apochromatische Korrektur des Objektivs ist äußerst effektiv, weshalb chromatische Aberration nicht erkennbar ist. Die Verzeichnung ist minimal kissenförmig. Bei offener Blende deutlich ausgeprägt ist die Vignettierung. Um die komplett zu vermeiden, ist abblenden auf f/8 erforderlich. Allerdings sind sowohl in der Kamera als auch in Bildbearbeitungsprogrammen Profile verfügbar, welche die Vignettierung weitgehend beseitigen. Immer wünschenswert ist das im Übrigen gar nicht. Viele Makromotive oder auch Porträts wirken mit einer dezenten Vignettierung oft besser. 

Bereits bei offener Blende liefert das Voigtländer-Makro in der Mitte hervorragende Schärfe. Ab f/5,6 erstreckt sich diese dann auch bis in die Ecken. Bei schräg einfallendem Gegenlicht ist die Neigung zur Bildung von Reflexen und brillanzmindernden Schleiern gering. Die aus 10 nicht abgerundeten Lamellen aufgebaute Blende liefert nur bei f/2,5 und f/22 runde Blendenbilder. Schon ab f/3,5 erscheinen diese als deutliche Zehnecke. Das muss man wissen, denn es beeinflusst die Bildwirkung schon und wem das nicht gefällt, wird mit dem Objektiv nicht glücklich. Die ausgeprägt eckige Form der Blendenöffnung lässt dafür aber bei Gegenlicht schon ab f/6,3 schöne, 10-strahlige »Sonnensterne« entstehen. Das Bokeh ist bei offener Blende im Nahbereich weich und harmonisch. Schließt man die Blende wird es – auch aufgrund der eckigen Blendenöffnung – etwas unruhiger.

Fazit

Das Macro Apo-Lanthar 110 mm F2,5 ist ein exzellentes Makroobjektiv. Mechanisch nahezu perfekt und auch optisch ohne Schwächen. Einzig an den dank nicht abgerundeter Lamellen ausgeprägt eckigen Blendenbildern mögen sich die Geister scheiden. Wer auf AF verzichten kann, findet unter den Modellen mit Sony E-Anschluss im Voigtländer-Makro eine interessante Option.  

Hans-Peter Schaub
www.hanspeterschaub.de

Macro Apo-Lanthar 110 mm F2,5 
Aufbau: 14 Elemente/12 Gruppen
Bildwinkel: 22° 6‘
Blendenbereich: 2,5-22
Anzahl Blendenlamellen: 10 
Naheinstellgrenze: ca. 35 cm
Min. Abstand (ab Frontlinse): ca. 17,5 cm 
Max. Abbildungsmaßstab: ca. 1:1 
Filtergewinde: 58 mm
Fokussierung: MF
Weitere Merkmale: Ist mit elektronischen Kontakten ausgestattet, die eine Kommunikation mit der Kamera erlauben. Der manuelle Einstellassistent der Kamera funktioniert ebenso wie (wenn vorhanden) der Bild­stabilisator im Kameragehäuse. Die Brennweite wird dabei automatisch erkannt. Auch EXIF-Daten werden übertragen und mit den Bildern abgespeichert. Blendenring rastet in 1/3-Stufen ein. Metallstreulichtblende im Lieferumfang.
Anschluss: Sony E-Mount
Abmessungen (mm): ca. 78 (D) x 100 (L) 
Gewicht: 771 Gramm
Straßenpreis: ca. 1.200 € 

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