Graue Tage


Monochrome Bewegungsstudien

von: Olaf Niepagenkemper
Der Herbst naht und mit ihm kommen, spätestens Ende November, diese Tage, die die meisten wohl eher mit einem Buch im Sessel als mit der Kamera in der Natur verbringen möchten. Und doch hat genau diese trübe, neblige Witterung fotografisch einen großen Reiz. Man muss sich nur darauf einlassen und aus der Not – wenig Licht – eine Tugend machen. Beinahe monochrome Bilder können dann entstehen, und da die Belichtungszeit meist ziemlich lang wird, bietet es sich an, Tiere mit mehr oder weniger ausgeprägter Bewegungsunschärfe im Bild festzuhalten. Olaf Niepagenkempers Bilder mögen sicher so manchen inspirieren, das Buch im Regal zu lassen und statt dessen mit der Kamera durch die graue Natur zu streifen.

Graue Tage mit wolkenverhangenem Himmel und Regen­fällen locken nur wenige Fotografen in die Natur. In diesen Momenten mit ihrer monotonen Stimmung ergeben sich für mich viele Räume für Kreativität in der Naturfotografie. Insbesondere im Herbst und Winter kann man an trüben Tagen einzigartige Augenblicke erleben. Vor allem Vögel und Säugetiere bieten sich dabei als Fotoobjekte an. Voraus­setzung ist aber, dass die Tiere auch aktiv und in Bewegung sind. Mit langen Belichtungszeiten zwischen 1/2 und 1/80 sec lässt sich die Dynamik besonders sichtbar einfangen. Die Tiere setze ich dann in einem eher kleineren Abbildungsmaßstab ins Bild. Der Hinter­grund ist in solchen Bildern ein zusätzliches, oft entscheidendes Gestaltungselement. Dabei lege ich weniger Wert auf die Dokumen­tation spektaku­lärer Arten, sondern versuche, häufigere Spezies durch kreative Darstellung neu ins Bild zu setzen. Die Bewegungs­unschärfe verursacht eine überzeichnete Darstellung der Situation, so wie sie der Betrachter in der Natur nicht wahrnimmt. So suche ich nach Möglichkeiten, die Schönheit der Natur, die sich auf einem Foto nicht in ihrer ganzen Voll­kommenheit einfangen lässt, zu überzeichnen, um so den Betrachter zu emotionalisieren. Die für mich interessantesten Bilder entstehen dabei nicht durch die klassische Ansitz­fotografie aus einem Tarnzelt heraus. Dort ist man in der Regel zu sehr auf einen Standort festgelegt. Freistehend in der Landschaft ist man deutlich flexibler. Dadurch ist es leichter, kurz­fristig für einen passenden Bildausschnitt seinen Standort zu verändern. Auch ein Zoomobjektiv leistet hier hervorragende Dienste, da man durch einen raschen Wechsel des Bildausschnitts Strukturen im Hintergrund in das Bild miteinbeziehen oder eliminieren kann. Zoomobjektive eignen sich auch durch ihr geringeres Gewicht für Aufnahmen aus der Hand. So steigert man die Flexibilität in der Auswahl seines Standortes und des Bildausschnitts noch einmal deutlich. aIch freue mich schon wieder auf den Herbst mit seinen tief hängenden Wolken und grauen Tagen …

Olaf Niepagenkemper

… ist Fischereibiologe und lebt in Münster. Seine fotografischen Ziele findet er vornehmlich in Deutschland, vor allem in Nordrhein-Westfalen und hier im Wesentlichen in der Umgebung seiner Heimatstadt. Aber auch das deutsche Wattenmeer, Polen, Norwegen und Sibirien hat er mit der Kamera bereist. Sein fotografischer Schwerpunkt liegt weniger in der dokumentarischen Abbildung von Arten, vielmehr  steht die kreative Darstellung seiner Fotoobjekte im Vordergrund.
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