Welt hinter Glas


Fotografieren an Aquarien

von: Hans-Peter Schaub & NaturFoto special Makrofotografie

Aquarien ermöglichen einen intimen Einblick in eine uns im Grunde fremde Welt. Wesen, die man normalerweise, wenn sie denn groß genug sind, allenfalls verschwommen durch die Oberfläche eines Tümpels oder Baches sehen kann, sind im Aquarium klar und deutlich erkennbar. Für Fotografen bieten Aquarien Möglichkeiten, Details im Bild festzuhalten, die sich im natürlichen Umfeld nicht fotografieren ließen. Eng angeschnittene Porträts von kleinen Fischen oder Insektenlarven, faszi­nie­rende Details der Körperoberflächen oder interessante Verhaltensweisen.  

Möchte man Tiere und Pflanzen fotografieren, die in Tümpeln, Bächen, Seen oder in den Meeren leben, hat man im Wesentlichen zwei Möglichkeiten: Entweder begibt man sich mit einer entsprechenden Ausrüstung ins mal mehr, mal weniger kühle Nass oder man lichtet die Wasserwesen in Aquarien ab. Letzteres ist in vieler Hinsicht deutlich einfacher, und in diesem Beitrag möchte ich darlegen, wie man sich die uns oft fremdartig erscheinende Unterwasser-Welt mit geringem technischem Aufwand fotografisch erschließen kann. 
In Aquarien sind Bedingungen gegeben, die sich mit der klassischen Studiofotografie vergleichen lassen. Die Motive sind (einigermaßen) kontrollierbar, und das Licht kann – zumindest beim speziell eingerichteten Foto­aquarium – nach Bedarf geführt werden. Zudem kann man auch sehr spezielle Technik wie Lupenobjektive, Objektive in Retrostellung oder Balgengeräte problemlos einsetzen – um beispielsweise besonders große Abbildungsmaßstäbe zu erzielen. Insbesondere ganz kleine, nur wenige Millimeter messende Organismen wie Wasserinsekten oder auch Details größerer Organismen sind unter Wasser nicht oder allenfalls mit immensem technischen Aufwand fotografierbar. Aquarienfotografie macht somit manche Bilder überhaupt erst möglich. Es bietet sich daher an, die gewünschten Motive (unter Einhaltung der jeweiligen Schutzbestimmungen und in jedem Fall so vorsichtig wie möglich) zumindest vorübergehend in Fotoaquarien zu setzen und dort unter kontrollierbaren Bedingungen aufzunehmen. Auch Aquarien in Zoos oder – wenn man selbst keines hat – von Bekannten und Freunden bieten vielfältige Fotogelegenheiten. 

Ausrüstung

Die Ausrüstung für die Makrofotografie an Aquarien entspricht weitgehend der, die auch im Freiland über Wasser zu verwenden ist. Geht es im Wesentlichen darum, kleine, niedere Tiere abzubilden wie Schnecken, Kleinkrebse, Insektenlarven oder Details von größeren Tieren wie Augen, Schuppen oder Körperstrukturen, sollte die Ausrüstung allerdings große Abbildungsmaßstäbe ab 1:1 (beim Kleinbildformat) erlauben. Makroobjektive im Brennweitenbereich zwischen 50 und 200 mm erlauben meist ohne weitere Hilfsmittel Abbildungsmaßstäbe von 1:2 bis 1:1. Mit Vorsatzachromaten, Telekonvertern, Zwischen- oder Umkehrringen lässt sich der Abbildungsmaßstab weiter vergrößern.

Mehr Licht!

Beim Fotografieren kleiner Tiere oder Pflanzen im Fotoaquarium ist ein Blitz (oder eine starke LED-Leuchte) unverzichtbar. In den meisten Fällen genügt dabei ein einziger Blitz völlig. Wichtig ist nur, dass sich dieser von der Kamera lösen lässt – egal ob die Zündung dann drahtlos oder über Kabel erfolgt. Ein im Blitzschuh der Kamera sitzender Blitz kann eigentlich nur verwendet werden, wenn es gelingt, das Objektiv bzw. dessen Sonnenblende auf der Frontscheibe aufzusetzen. Ist das nicht der Fall, ruinieren die unvermeidlichen Lichtreflexe auf der Scheibe das Bild. Zudem sollte das Wasser sehr klar sein, denn ansonsten erwecken die das Licht reflektierenden Schwebeteilchen den Eindruck eines Schneegestöbers. Die Reflexe ließen sich vermeiden, indem man aus einem 45-Grad-Winkel ins Aquarium fotografiert, das aber führt – vor allem bei dicken Glasscheiben – zu inakzeptablen Schärfeneinbußen. Idealerweise setzt man den Blitz von oben oder jeweils schräg von vorn oder von der Seite ein. Dadurch wird ein natürlicher Lichteinfall simuliert – schließlich kommt unter Wasser die Sonne immer mehr oder weniger steil von oben.
Empfehlenswert ist die Befestigung des Blitzgeräts auf einem Stativ. Insbesondere wenn man bewegliche Kleintiere ablichten möchte, wird man die Kamera aus der freien Hand benutzen, um flexibel zu sein. Das relativ harte Licht konventioneller Blitzgeräte wird selbst durch scheinbar klares Wasser schon erheblich gestreut und dadurch weicher. Durch ein weißes Blatt Papier, ein Papiertaschentuch, einen Diffusor oder eine Softbox kann man das Licht noch breiter streuen.
Große Schauaquarien in Zoos oder ähnlichen Einrichtungen erlauben – wenn überhaupt – natürlich nur in den seltensten Fällen einen völlig flexiblen Einsatz des Blitzlichts aus beliebigen Richtungen. Hier ist man in der Regel auf den Einblick über die Frontscheibe beschränkt. Eine zufriedenstellende Ausleuchtung ist dennoch möglich. Man setzt dazu – dort, wo blitzen erlaubt ist – das Blitzgerät schräg über der Kamera auf die Scheibe auf. Besonders einfach geht das zu zweit. Eine(r) übernimmt dabei die Rolle des »Blitzhalters«, der/die andere fotografiert.

Ist Blitzlicht schädlich?

Das Thema Blitzlicht an Aquarien wird oft sehr kontrovers diskutiert und daher ist eine entsprechende Untersuchung des Leibnitz-Instituts für Gewässerökologie (IGB) in diesem Zusammenhang von Interesse, deren Ergebnisse nachfolgend kurz zusammengefasst werden.
Zumindest für manche Fische bedeutet das gleißende Licht eines Kamera-Blitzes keinen Stress. IGB-Forscher Klaus Knopf hat zusammen mit Kollegen der Universität Girona in Spanien und des Sea Life Berlin die Reaktion des südamerikanischen Schmetterlingsbuntbarsches auf regelmäßiges Kamera-Blitzlicht über 14 Tage untersucht. Die Forscher bestimmten unter anderem das Stresshormon Cortisol der Fische. »Fische sind in Bezug auf die Stressreaktion den Säugetieren und uns Menschen sehr ähnlich. Wird eine stressige Situation erlebt, steigt zuerst binnen Sekunden der Adrenalinspiegel im Blut. Nach einigen Minuten wird dann Cortisol ausgeschüttet«, so Klaus Knopf. Beide Hormone unterstützen zunächst verschiedene Anpassungsmaßnahmen des Körpers: die Herzfrequenz steigt, Muskeln und lebenswichtige Organe werden besser durchblutet. Wirkt der sogenannte Stressor weiter, kann die andauernde Alarmbereitschaft negative Folgen beispielsweise für die Fortpflanzung, das Wachstum und die Immunfunktionen haben. »Unsere Arbeitsgruppe am IGB erforscht, wie Stress in der Fischzucht und Fischhaltung vermieden werden kann – ein wichtiger Baustein der Krankheitsprophylaxe«, erklärt Knopf. Mitarbeitende von Schauaquarien und auch die Besucherinnen und Besucher befürchten häufig, dass Blitzlicht die Fische stört und stresst. Die Ergebnisse des Forschungsteams zeigen jedoch für den Schmetterlingsbuntbarsch genau das Gegenteil: Die Werte für Cortisol und Glucose (ein weiterer Stressparameter) waren bei den »geblitzten« Tieren sogar niedriger als bei den »ungeblitzten« Fischen der Kontrollgruppe. Die Forscher beobachteten während der Versuchsdauer auch das Verhalten der Tiere. Die »geblitzten« Fische zeigten weniger aggressives Verhalten in Form von lateralen Attacken und Maulkontakt als die »ungeblitzten«. »Der Kamera-Blitz scheint die Tiere lediglich etwas abzulenken, aber nicht negativ zu beeinflussen. Dieses Ergebnis lässt sich aber nicht unbedingt auf alle Fischarten übertragen«, so Knopf. Denn die verschiedenen Fischarten besiedeln Lebensräume mit ganz unterschiedlichen Lichtverhältnissen. Andere Spezies könnten eine andere Reaktion auf grelle Lichtblitze zeigen als der Schmetterlingsbuntbarsch. Einige Wassertiere, wie beispielsweise der Oktopus, reagieren schreckhaft auf Blitzlicht. Vorerst wird sich bei Sea Life Berlin an der Foto-Beschränkung nichts ändern: »Bisher haben wir unsere Besucherinnen und Besucher gebeten, die Fische in den Aquarien nicht mit Blitz zu fotografieren. Dennoch kommt dies immer wieder vor und dann ist es beruhigend zu wissen, dass es für die Tiere nicht unbedingt Stress bedeutet«, so Martin Hansel von Sea Life Berlin. (Quelle: idw Informationsdienst Wissenschaft e.V.) 
Fotografen müssen sich also vermutlich auch weiter in den meisten öffentliche Aquarien mit dem Blitzverbot abfinden, und in der Tat dürfte es auch schwierig umsetzbar sein, das Blitzen an manchen Aquarien zu erlauben, an anderen wiederum zu verbieten. Grundsätzlich aber sollten Fotografen auch dort, wo der Blitzeinsatz möglich ist oder am eigenen heimischen Fotoaquarium, ihre Motive genau beobachten und von der Verwendung von Blitzlicht absehen, wenn die Tiere mit Flucht oder Panik reagieren. 

Es geht auch ohne Blitz

Dank der zunehmend besseren Abbildungsleistungen der Kameras bei hohen ISO-Einstellungen kommt man in den ja oft recht gut ausgeleuchteten Schauaquarien durchaus auch ohne Blitz zurecht und kann dann aus der Not eine Tugend machen. Bei Einstellungen von ISO 1.600 bis 3.200 hält sich das Bildrauschen in der Regel noch in erträglichen Grenzen. Vorteil dieser »Available Light«-Fotografie sind die größere Flexibilität vor dem Becken und zudem eine meist sehr natürlich anmutende Ausleuchtung. Mittels der Weißabgleichs-Einstellung kann man gegebenenfalls auftretende Farbstiche problemlos neutralisieren oder auch gezielt die Farbabstimmung beeinflussen – Voraussetzung dazu ist allerdings, dass man die Bilder im Raw-Format aufnimmt. 
Von Vorteil ist dabei auch, wenn die Kamera über eine »Anti-Flacker-« oder »Anti-Flimmer-Funktion« verfügt. Die Lichtquellen an Aquarien emittieren keineswegs Licht konstanter Farbe und Helligkeit. Uns scheint das zwar so, tatsächlich aber ändert sich die Charakteristik permanent in extrem kurzen, mit bloßem Auge nicht wahrnehmbaren Zeitabständen. Die mit »Anti-Flacker«-Funktion ausgestattete Kamera erkennt das und löst im Idealfall genau dann aus, wenn das Licht am gleichmäßigsten ist. Wie drastisch die Unterschiede in der Beleuchtung ohne diese Funktion sein können, lässt sich leicht herausfinden, wenn man mal eine längere Aufnahmeserie an einem Aquarium ohne »Anti-Flacker« schießt. Die Farbschwankungen sind zuweilen beträchtlich und zudem sind die Farbstiche auch ungleichmäßig übers Bild verteilt, was eine nachträgliche Korrektur sehr erschwert. Ist die Kamera nicht entsprechend ausgestattet, hilft daher im Grunde eben auch nur die Serienbildfunktion. Dann muss man noch hoffen, dass man die optimale Szene im möglichst gleichmäßigen Licht erwischt.

Sauberkeit wird belohnt

Egal ob großes Schau- oder spezielles Fotoaquarium: Immer ist es ratsam, die Kamera möglichst so auszurichten, dass die Sensorebene parallel zur Aquarienscheibe verläuft. Nur so lässt sich selbst bei sehr dicken Scheiben optimale Schärfe erzielen. Schon leichtes Verkannten sorgt hingegen für zumindest partielle Unschärfen und Verzerrungen. In diesem Zusammenhang ist es auch unerlässlich, darauf zu achten, dass die Aquarienscheibe sauber und möglichst ohne Kratzer ist. Schmutz, Wassertropfen oder Kratzer beeinträchtigen die Bildqualität erheblich. Da, wenn geblitzt werden kann, zur Erzielung möglichst großer Schärfentiefe zuweilen stark abgeblendet wird, kommen auch Verunreinigungen auf der Scheibe schnell prägnant ins Bild. Eine Abblendtaste an der Kamera, auch in Verbindung mit der LiveView-Funktion, hilft zumindest etwas, unliebsame Überraschungen zu vermeiden.
Wer Meerwasser-Bewohner im eigenen Fotoaquarium ablichten möchte, muss zudem besonders sauber arbeiten. Zum einen hinterlassen Salzwassertropfen schnell weiße Ränder auf den Scheiben, und zum anderen vertragen sich empfindliche Gerätschaften wie Kameras und Blitzgeräte überhaupt nicht gut mit Salzwasser. Ein Schälchen mit Süßwasser und weiche, saugfähige Stofflappen oder Papiertaschentücher sollten daher die Ausrüstung vervollständigen. So lassen sich Meerwassertropfen sofort und schonend entfernen. Wichtig ist auch, sich nach Kontakt mit Meerwasser und vor dem Kontakt mit der Fotoausrüstung, wann immer möglich, die Hände abzuspülen – klingt zwar pingelig, zahlt sich aber langfristig aus.

Belichtung

Die Verwendung von Blitzlicht in der Aquarienfotografie wirft mitunter Probleme bei der Belichtung auf. Man sollte die jeweiligen Motive daher zunächst möglichst genau bezüglich ihrer Helligkeit begutachten. Helle oder silbrig glänzende Fische sind hier besonders tückisch – möglicherweise reflektierende Motive berücksichtigen. Fotografiert man helle Organismen wie zum Beispiel kleinere Weichtiere vor dunklem Hintergrund (beispielsweise auf dunklen Miesmuschelschalen), wird man den Blitz schon von vornherein um wenigstens eine Blendenstufe herunterkorrigieren oder – je nach Kameramodell – eine entsprechende Belichtungskorrektur an der Kamera vornehmen.
Im umgekehrten Fall eines dunklen Organismus vor hellem Hintergrund, wie etwa einem dunklen Fisch über hellem Sand, ist in der Regel eine Korrektur von plus einer halben oder ganzen Blendenstufe erforderlich. Stark reflektierende Fische irritieren den Belichtungsmesser der Kamera unter Umständen erheblich und sorgen dann für eine Unterbelichtung der Aufnahme. Je genauer man den Bildausschnitt vor der Aufnahme analysiert, umso präziser lässt sich die passende Belichtungskorrektur ermitteln. Die direkte Kontrolle über das Histogramm gibt dabei sofort und präzise Auskunft über die Qualität der Belichtung.

Gestaltung

Einige Anmerkungen zur Bildgestaltung: Versuchen Sie – abgesehen von »runden« Tieren wie Anemonen, Seeigeln oder Seesternen – das Hauptmotiv außerhalb der Bildmitte zu platzieren. Beziehen Sie, wenn vorhanden, diagonale Linien in die Komposition mit ein. Das können auch gedachte Diagonalen beispielsweise zwischen einer Anemone links unten zu einem Fisch rechts oben sein. Wie bei der Makrofotografie auf dem Trockenen ist die kleinste Blende nicht immer die beste. Abblenden bringt zwar viel Schärfentiefe, abgesehen davon, dass zu starkes Abblenden aufgrund von Beugungserscheinungen die Bildschärfe mindert, kann Schärfe bei relativ weit geöffneter Blende aber auch selektiv eingesetzt werden, um Motive aus einem unruhigen Umfeld zu lösen oder unschöne Hintergründe diffus verschwimmen zu lassen. Zudem reduziert das Schließen der Blende natürlich die auf den Sensor treffende Lichtmenge. Die Konsequenz beim Fotografieren mit Blitzlicht ist, dass der Blitz mit hoher Leistung arbeitet, was zum einen lange Ladezeiten nach sich zieht und zum anderen auch für die angeblitzten Lebewesen schädlich sein kann. Dem kann man mit einer höheren ISO-Einstellung begegnen, was letztendlich aber auch die Bildqualität mindert. Nutzen Sie – wenn vorhanden – die Abblendtaste, um die Ihren Vorstellungen am besten gerecht werdende Blende zu ermitteln. Bei der Arbeit an speziellen Fotoaquarien hat man alle Freiheiten der Lichtführung. Man kann entweder Streif-, Auf- oder Gegenlicht erzeugen, und jedes Mal werden bedingt durch diese unterschiedliche Lichtführung an sich gleiche Motive erstaunlich verschieden aussehen.

Hans-Peter Schaub
Der 1961 im Schwarzwald geborene, promovierte Biologe ist seit rund 19 Jahren Chefredakteur des Magazins NaturFoto und Autor mehrerer Bücher über Naturfotografie. www.hanspeterschaub.de 
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