Fast keine Knöpfe


Die YI M1 in der Praxis

Es war sicher eine der Überraschungen der letzten photokina, als die chinesische Firma YI Technology, bislang vor allem für Actioncams bekannt, eine „richtige“ Systemkamera präsentierte. Die YI M1 basiert, wie die Systemkameras von Olympus und Panasonic, auf dem offenen Micro FourThirds-Standard (MFT), verfügt also über einen entsprechenden Sensor im FourThirds-Format und das MFT-Anschluss-Bajonett. Hinsichtlich der Bedienung setzt der chinesische Hersteller sehr konsequent auf das Touch-Display und zielt damit sicherlich insbesondere auf mit Smartphones vertraute Fotografen.

Mit YI Technology gibt es seit der letzten photokina den ersten eigenständigen chinesischen Hersteller von Systemkameras. Ohne großen Presserummel präsentierte man die YI M1 neben verschiedenen Actioncams am Messestand. Seit Dezember kann man die Kamera hierzulande kaufen. Als Micro FourThirds-Systemkamera stehen neben den derzeit zwei Original-YI-Objektiven von Beginn an auch zahlreiche weitere Zooms und Festbrennweiten sowie diverses kompatibles Zubehör wie Adapter und Zwischenringe der etablierten Hersteller zur Verfügung. Die Kamera lässt sich so einerseits problemlos in ein vorhandenes MFT-System integrieren, kann aber andererseits auch zur Basis eines umfangreichen Systems werden.

In der Hand

Die YI M1 ist mit knapp 300 Gramm sehr leicht und liegt trotz eher zierlicher Abmessungen ganz passabel in der Hand. Zwar ist Kunststoff das dominierende Material – lediglich das Stativgewinde, das Bajonett und der Blitzschuh sind aus Metall gefertigt –, dennoch erscheint die Kamera solide und ordentlich verarbeitet.
Hinsichtlich des Designs sind Anleihen bei Leicas T-Modell unverkennbar. Die schnörkellose, elegante Form des Gehäuses und vor allem die sehr zurückhaltende Verwendung von Knöpfen und Schaltern verbindet die beiden Kameras – zumindest auf den ersten Blick. Die YI M1 ist konsequent auf die Bedienung mittels Touch-Display ausgelegt. Lediglich einige Basis-Funktionen wie die Wahl des Belichtungsmodus (P, A, S, M), der Ein-/Ausschalter, der Auslöser (es kann auch über den Touchscreen ausgelöst werden), ein Einstellrad sowie eine mit verschiedenen Funktionen verwendbare Q-Taste lassen sich direkt ansteuern. Alles andere wird auf dem 3 Zoll-Display gewischt und getippt.
Das Speicherkartenfach ist unter einer seitlich angebrachten Klappe neben der USB-Buchse zu finden und so auch gut zugänglich, wenn sich die Kamera auf dem Stativ befindet. Das gilt – wie bei den meisten Kameras – nicht für den Akku. Der wird von unten ins Gehäuse geschoben und das entsprechende Fach ist blockiert, wenn man eine Schnellwechselplatte montiert hat.
Ein Ladegerät befindet sich nicht im Lieferumfang, stattdessen wird die Kamera über ein Micro-USB-Kabel aufgeladen. Das kann auch im laufenden Betrieb geschehen. So kann man beispielsweise auch problemlos eine Powerbank anschließen, beispielsweise wenn man über einen längeren Zeitraum ein Zeitraffervideo aufnehmen möchte.

Display und Bedienung

Das 3 Zoll-Display verfügt mit 1,04 Mio. Bildpunkten über eine recht hohe Auflösung, lässt sich allerdings weder klappen noch schwenken. Da die Bedienung nahezu ausschließlich über das Touchdisplay erfolgt, wären etwas üppigere Abmessungen desselben durchaus wünschenswert. Wünschenswert wäre auch eine etwas direktere Reaktion. Wer mit einem modernen Smartphone vertraut ist, erwartet, dass angewählte Funktionen sofort reagieren. Zuweilen muss man das Kamera-Display mehrfach antippen oder betont langsam „wischen“, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Ich hatte die Kamera während einer Kälteperiode zur
Verfügung. Dabei wurde deutlich, dass die Touch-Funktionalität sich schlecht mit dem Tragen von Handschuhen verträgt und auch ohne Handschuhe erschien das Display bei -10° C noch eine Spur träger als an wärmeren Tagen.
Macht man zudem von den Einstellmöglichkeiten Gebrauch, ändert also immer mal wieder den ISO-Wert oder auch die Videoauflösung, bedarf das vier bis fünf „Touch-
Aktionen“. Richtig schnell wird die Bedienung durch die Touch-Funktion also nicht unbedingt.
Das Menü insgesamt ist jedoch recht übersichtlich und der Funktionsumfang deckt alles ab, was man für anspruchsvolle Bilder benötigt. Bei den Anzeigefunktionen habe ich allerdings ein Histogramm und auch ein Gitterrater vermisst. Das Histogramm lässt sich nur nach der Aufnahme im Wiedergabe-Modus anzeigen. Extrem schwer ablesbar, vor allem in heller Umgebung, erschien mir die Anzeige der Belichtungszeit (hellgrau) auf dem Display. Gut gelöst ist hingegen die Darstellung der AF-Felder, die sich bei manueller Wahl per Fingertipp selektieren lassen.
Enttäuschend ist allerdings die zur Kamera verfügbare App. Die gestattet zwar die Übertragung von Bilddaten auf Mobilgeräte, jedoch keine Fernsteuerung der Kamera.

AF und Geschwindigkeit

Der auf dem Kontrastverfahren mit 81 Messfeldern basierende Einzelbild-AF funktioniert zügig und erwartungsgemäß präzise. Insbesondere beim Fotografieren vom Stativ ist das komfortabel. Es steht auch eine AF-C-Funktion, also ein kontinuierlicher AF zur Verfügung. Der ist allerdings durch sich schnell bewegende Motive, wie sie in der Tierfotografie üblich sind, gänzlich überfordert. So etwas wie Objektverfolgung/Motiv-Tracking gibt es, abgesehen von einer für Naturfotografen kaum wirklich relevanten Gesichtserkennung, nicht. Manuell fokussieren kann man nur über Pfeiltasten auf dem Display – bei Bedarf unterstützt durch eine Lupen- und Peaking-Funktion. Nicht zu überzeugen vermag auch die Serienbildfunktion. Zwar schafft die Kamera 5 Bilder/sec, im Puffer aber finden nur vier Raw-Aufnahmen Platz, was Actionfotografie unmöglich macht.

Bildqualität

Der 20 Megapixel-Sensor von Sony  liefert hinsichtlich Auflösung, Dynamikumfang und Rauschverhalten sehr gute Ergebnisse. Kontrastreiche Motive können zum Erhalt der Lichterzeichnung massiv (um drei bis vier LW) unterbelichtet werden, ohne dass beim in der Nachbearbeitung erforderlichen Aufhellen störendes Rauschen erkennbar wird. Selbst bei ISO-Einstellungen bis zu ISO 6.400 sind die Bilddateien noch erstaunlich detailreich und – vorausgesetzt man nutzt das Raw-Format – mit moderater Rauschunterdrückung in der Nachbearbeitung auch großformatig auszudrucken. Das YI-Standardzoom 12-40 mm wird dem hervorragenden Sensor allerdings nicht gerecht. Relativ deutlich ist der Schärfeabfall zu den Rändern und selbst bei der optimalen Blende f/8 wünscht man sich etwas mehr „Biss“. Im Gegensatz dazu ist die 1,8/42,5 mm-Festbrennweite richtig gut – und zwar schon bei offener Blende und auch im Nahbereich.

Fazit

Ein zumindest für erfahrene Fotografen gewöhnungsbedürftiges Bedienkonzept, das zudem unter dem etwas träge reagierenden Touch-screen leidet, und ein nur bei statischen Motiven überzeugender Autofokus sind aus meiner Sicht die gravierenden Schwächen der Kamera. Überzeugend aber ist die Qualität, die der 20 MP-Sensor liefert. Insofern ergibt sich abschließend ein höchst gemischter Eindruck. Wer in aller Ruhe Makro- und Landschaftsmotive mit einer sehr kompakten Kamera aufnehmen möchte, kann mit der YI M1 durchaus glücklich werden – auch als Zweitgehäuse in einem vorhandenen MFT-System. Vielseitigen Fotografen, die mal Tiere, mal Action, mal Landschaft aufnehmen möchten, ist die Kamera nicht zu empfehlen. Gleichwohl bin ich sehr gespannt, wie YI das Kamerasystem weiterentwickelt.

Hans-Peter Schaub
www.hanspeterschaub.de

Derzeit erst zwei Objektive
Das System ist derzeit noch sehr übersichtlich. Zwei YI-Wechselobjektive sind derzeit erhältlich: ein 1,8/42,5 mm sowie ein Standardzoom 3,5-5,6/12-40 mm. Das lässt sich allerdings leicht verkraften, denn schließlich kann man sich ja aus dem mittlerweile extrem breiten Angebot von Micro FourThirds-Objektiven von Olympus, Panasonic, Sigma, Tamron und anderen Herstellern bedienen.

Design-Minimalismus
Schlichtes, geradliniges Design und ein Minimum an Bedienelementen kennzeichnen die YI M1. Das sieht insgesamt recht schick aus, macht die Bedienung allerdings zuweilen auch etwas umständlich, denn in einigen Fällen zumindest, ist ein direkter Zugang zu einer Funktion mittels eines speziellen Knopfs einfach schneller..

Bedienung per Touchdisplay
Die Kamera ist nicht mit einem Sucher ausgestattet und den gibt's bislang auch nicht als Zubehör. Die Bildgestaltung und die Bedienung erfolgen daher vor allem über das Touchdisplay. Das reagiert allerdings mitunter etwas träge und oft muss man mehrfach antippen oder "wischen" bis das passiert, was man möchte.

Zwei Farbvarianten
Die Kamera ist in den Farbvarianten Schwarz und Silber/Schwarz erhältlich, passend dazu gibt es auch die beiden Objektive in den entsprechenden Farben.

YI M1
Bildsensor: CMOS (17,3 x 13 mm), 5.200 x 3.902 Pixel, Auflösung (effektiv): 20,2 Mio. Pixel, Beschnittfaktor bezogen auf Kleinbild: 2
ISO: 100 – 25.600,
Dateiformate (Bild): 12 Bit-Raw (DNG), JPEG
Dateiformate (Video): MOV/MP-4 (AVC/H.264), 4K (3.840 x 2.160 mit 30p) Full HD (1.920 x 1.080 Bildpunkte mit 24p, 30p, 60p)
LC-Display: 3 Zoll-TFT-Touch-Display, 1,04 Mio. Bildpunkte
Sucher:
Serienbilder: 5 Bilder/sec, bis zu 4 Raws in Folge (SanDisk Extreme Pro UHS-I 64 GB)
Speichermedien: SD-/SDHC-/SDXC
Weitere Merkmale:  WLAN, Bluetooth, HDR, Schwenk-Panorama, Timer-/Zeitraffer, Micro-HDMI- und USB 2.0-Anschluss  
Abmessungen (B x H x T):
113,5 mm x 64,3 mm x 33,6 mm
Gewicht (mit Akku und SD-Karten):
rund 290 Gramm
Straßenpreis: ca. 650 € (mit 12-40 mm und 42,5 mm-Objektiv)

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